Unter diesem Motto öffnete der Girls‘ und Boys‘ Day des Ada-Lovelace-Projekts an der Uni Koblenz für 180 Teilnehmende die Türen zu neuen Perspektiven in der Studien- und Berufsorientierung
In diesem Jahr war es am Campus ganz besonders trubelig und voll, denn knapp 140 Mädchen und über 40 Jungen der 5.-11. Klassen von über 30 Schulen aus über 20 Orten und Städten im Umkreis von bis zu 100 Kilometern folgten der Einladung und schnupperten am Zukunftstag in die verschiedenen Studiengänge der Universität Koblenz.
Der Großteil der Teilnehmerinnen, nämlich über 70 %, besuchen die Mittelstufe eines Gymnasiums. Bei den männlichen Teilnehmern ergibt sich mit 95 % Gymnasiasten der 7.-9. Klassen ein noch einheitlicheres Bild.
Zu einer guten Tradition ist mittlerweile das digitale Grußwort des Universitätspräsidenten Prof. Dr. Stefan Wehner geworden, in dem er die Teilnehmenden herzlich willkommen hieß. Seit über 20 Jahren organisiert das Ada-Lovelace-Projekt den Girls‘ Day ( und im 3. Jahr den Boys‘ Day) und hat es sich seitdem zur Aufgabe gemacht, Mädchen und jungen Frauen einen kreativen Raum des „Sich-Ausprobierens“ zu schaffen, in dem sie noch immer männerdominierte MINT-Bereiche erkunden können. Dabei werden ihnen Mitarbeiterinnen und Mentorinnen, – Studentinnen der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik – als Rollenvorbilder zur Seite gestellt.
In den insgesamt 13 verschiedenen Workshops wurde programmiert, experimentiert oder handwerklich gearbeitet und dabei spielerisch Berührungsängste und Selbstzweifel abgebaut. Doch nicht nur den jungen Frauen müssen neue Räume eröffnet werden. Beim diesjährigen Zukunftstag organisierte das Ada-Lovelace-Projekt der Uni Koblenz bereits zum dritten Mal auch Angebote für Jungen und junge Männer in Bereichen, die überwiegend von Frauen gewählt werden. So nahmen Schüler u.a. die Möglichkeit wahr, die Studienfächer Psychologie, Soziologie und Digital Business Management zu erkunden.
Aus aktuellen Befragungen der Teilnehmenden am bundesweiten Aktionstag gehen sowohl die Wirkung als auch die Wichtigkeit der Aktionstage für die Jugendlichen hervor. Mit 78 Prozent der befragten Schülerinnen und 83 Prozent der Schüler geben ein Großteil der Befragten an, ein Tagespraktikum sei für sie (sehr) hilfreich, um sich über Berufe und die Arbeitswelt zu informieren. Rund zwei Drittel der befragten Jugendlichen gaben sogar an, der Girls‘ Day und Boys‘ Day habe ihnen konkret dabei geholfen, eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, was sie später beruflich machen wollen.
Diese Ergebnisse können die Organisatorinnen vom Ada-Lovelace-Projekt, Stephanie Justrie und Katharina Schuster, nur bestätigen: „Die Jugendlichen sehen den Girls‘ und Boys‘ Day als wichtige Möglichkeit, sich ganz praktisch und frei von Stereotypen über Berufe und Studiengänge zu informieren. Hier und heute werden die Studierenden von morgen erreicht.“
Ganz konkret hieß das für 20 Teilnehmer im Workshop „Marketing leicht gemacht“, dass sie in einer praktischen Übung die eigene Produktidee überzeugend an potentielle Kund:innen vermitteln durften. Nora Kern und Fabian Brunet vermittelten quasi im Schnelldurchlauf, was hinter dem Marketingkonzept eines Unternehmens steckt und was alles beachtet werden muss, um Kund:innen gezielt anzusprechen. Bereits zum zweiten Mal dabei, ist Kern von der Wichtigkeit des Boys‘ Day überzeugt: „Ich möchte mit meinem Angebot einen Beitrag leisten, die noch existierenden Rollenbilder aufzubrechen und neue Perspektiven zu schaffen. Es gibt keine typischen Frauen- und Männerberufe mehr. Jeder sollte das machen können, in dem er gut ist und sich vor allem wohlfühlt – unabhängig von gesellschaftlichen Vorstellungen.“
Eine weitere Gruppe von Jungs und jungen Männer informierten sich im Workshop „Viral mit Weber – #soziologiemeetstiktok“, durchgeführt von Astrid Fries, über das Studienfach Soziologie. Hier wurden mit Hilfe von soziologischen Theorien die individuellen Online-Profile der Teilnehmer und deren Social Media Nutzung unter die Lupe genommen. Eifrig diskutierten die 15 Teilnehmer über grundlegende Fragen, wie „Warum wollen wir überhaupt ausgewählte Aspekte unseres Lebens zeigen und mit anderen teilen? Und welchen Einfluss hat das auf uns und unsere sozialen Beziehungen?“
Wie bereits im vergangenen Jahr waren die raren Plätze in dem Psychologie-Workshop „Das Experiment“ schnell ausgebucht. Hier erfuhren die Teilnehmer, wie man psychologische Experimente designt, Daten sammelt, analysiert und die Ergebnisse auswertet. Dass Psychologie viel mehr als Beratung und Therapie ist, erklärte Michelle Lennon-Maslin: „Psychologie wird oft und ausschließlich als sehr anstrengender Arbeitsbereich angesehen, in der man Menschen mit psychischen Herausforderungen betreuen muss. Dies schreckt häufig vor allem junge Männer ab. Ich hoffe, dass wir ihnen heute einen spannenden Teil der Psychologie näherbringen und ihr Interesse für die Erforschung des menschlichen Verhaltens wecken konnten.“
Aber natürlich gab es auch viele spannende MINT-Workshops für die Teilnehmerinnen des Girls‘ Day zu erleben. So verbachten 12 Teilnehmerinnen einen spannenden Vormittag in der institutseigenen Physik-Werkstatt und lernten viele neue Fertigkeiten rund um das Thema Löten kennen.
Eine weitere Schülerinnengruppe erkundete mit Hilfe einer spannenden Rallye den Koblenzer Campus und seine MINT-Fächer. Neben den Chemie- und Informatik -Laboren besuchten die Teilnehmerinnen auch das Gewächshaus der Universität und erfuhren durch Frau Dr. Killmann Wissenswertes über Flora und Fauna. Etwa, welche Rolle die Pflanzenwelt und Bewirtschaftung von Flächen bei aktuellen Klimakatastrophen spielen.
Besonders spannend wurde es für 15 Teilnehmerinnen im Workshop „Brücken bauen leicht gemacht“ in dem Moment, als die selbst konstruierte und zusammengebaute Leonardo-Brücke den Härtetest bestehen musste: Hält die zusammengesteckte Konstruktion die Last einer Schülerin? Die gute Nachricht: Ja, das tat sie, was natürlich für große Begeisterung bei den Nachwuchsingenieurinnen sorgte. In dieser Gruppe wurde besonders viel handwerklich gearbeitet und konstruiert. Neben der großformatigen Leonardo-Brücke durfte jede Teilnehmerin ihre eigene Brücke kreieren und selbst überlegen, welche Statik und Form das eigene Projekt haben sollte.
Dass Mathematik weder langweilig noch besonders schwierig ist, erfuhren 15 Teilnehmerinnen im Workshop unter Federführung von Herrn Prof. Dr. Bracke. Mit großer Begeisterung und spürbarer Freude am Fach wurden vor allem drei mathematische Gebiete behandelt, die in der Schule praktisch nicht vorkommen: Kryptographie, Graphentheorie und Spieletheorie. Gemeinsam wurden Anwendungen und Bezüge zum Alltag der Mädchen und jungen Frauen entdeckt und mathematische Modelle begreifbar gemacht. Prof. Bracke erläuterte seine Motivation, sich am Girls‘ Day zu beteiligen: „Wir möchten gerne unsere Begeisterung für die Mathematik an junge Menschen weitergeben und hoffen, dass das Bild, das in vielen Fällen durch die Schulmathematik in den Köpfen entsteht, heute erweitert und ergänzt werden konnte. Wir freuen uns auf jeden Fall über das Interesse unserer Teilnehmerinnen und deren Bereitschaft, sich auf neue und ungewohnte Sachen einzulassen und damit zu experimentieren.“
In weiteren Workshops wurde u.a. mit Calliope mini und Callibot programmiert, im „3D-Druck“ wurden unter fachlicher Anleitung von Sophie Kohout, Auszubildende im ZIMT, mit einer speziellen Design-Software eigene 3D-Modelle kreiert und für jede Teilnehmerin am Ende ausgedruckt und in „Smart City“ Zukunftsvisionen von „intelligenten Städten“ entwickelt. Vera Spitzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik, leitete den Workshop und betonte den partizipativen Charakter des Angebots: „Durch die gemeinsame Erarbeitung von Zukunftsvisionen für die eigene Stadt/ Region setzen sich die Schülerinnen kreativ mit der Digitalisierung auseinander und verstehen, wie wichtig eine Mitgestaltung der eigenen Stadt und Region ist.“ Ihre Motivation, ein Angebot am Girls‘ Day einzubringen, formuliert sie folgendermaßen: „Ich möchte den Mädchen und jungen Frauen einen Einblick in meine Forschung ermöglichen. MINT-Fächer wirken auf Schülerinnen oft starr und abschreckend, dabei zeichnen sie sich durch eine große Vielfalt aus, in der ganz unterschiedliche Kompetenzen benötigt werden. Mit meinem Angebot möchte ich aufzeigen, dass auch kreative Arbeit in der Informatik möglich und notwendig ist und nicht den ganzen Tag am Rechner programmiert wird.“
Was künstliche Intelligenz kann (und was nicht), wie maschinelles Lernen funktioniert und wie ChatGPT unser (Schul-)Leben revolutioniert, war gleich in mehreren Workshops Thema. Während in einem der Workshops mit Hilfe des Programms Scratch die spannende Welt der künstlichen Intelligenz erobert wurde, legten die Promovendin Ivanna Kramer und ihr Team den Schwerpunkt auf „Neuronale Netze“ und inwiefern unser eigenes menschliches Gehirn als Vorbild für künstliche Intelligenz dient. Die Referentinnen waren sich einig: „KI und ChatGPT sind hochaktuelle Themen, das haben wir deutlich an dem großen Interesse und der konzentrierten Mitarbeit der Schülerinnen gemerkt. Wir sind froh, dass wir den Mädels das sehr komplexe Thema so herunterbrechen konnten, dass alle mit einem tieferen Verständnis von maschinellem Lernen nach Hause gegangen sind.“
Besonders begehrt und sehr schnell ausgebucht war der Kurs „Ozeanheldinnen: KI für saubere Meere“. Promovendin Sandra Wingender erklärt: „Oftmals werden KI-Systeme wie eine Art „Black Box“ genutzt und eingesetzt, ohne dass Nutzende verstehen, welchen Einfluss schlechte oder (unbewusst) manipulierte Daten auf das System haben. Das Wissen darüber versuchen wir den Mädchen spielerisch und mit der Motivation des Umweltschutzes zu vermitteln.“ Angesprochen auf die Frage, warum dieses Angebot bereits für Fünftklässlerinnen funktionieren kann, antwortet sie: „Aus meiner Sicht sollte informatische Grundbildung bereits im Grundschulalter beginnen. Computer und KI sind aus dem Lebensalltag junger Menschen nicht mehr wegzudenken, so dass auch bereits junge Schüler:innen die Grundsätze dessen und kritisches Denken darüber erlernen müssen.
Für das gesamte Orga-Team des Ada-Lovelace-Projektes, die Mentorinnen als auch die vielen Teilnehmenden steht jetzt schon fest: „Wir freuen uns bereits auf den Girls‘ und Boys‘ Day 2025!“