„Die Wirkungen von geschlechtergetrenntem Physikunterricht für Mädchen“ – Masterarbeit von Alina Regner im Rahmen des Ada-Lovelace-Projekts

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Alina Regner war von 2021 bis Ende 2023 Mentorin im Ada-Ada-Lovelace-Projekt. Sie studierte Mathematik und Physik auf Gymnasialehramt an der Universität Koblenz. Inspiriert durch ihr Engagement im ALP forschte sie für ihre Masterarbeit zum Thema „Die Wirkungen von geschlechtergetrenntem Physikunterricht für Mädchen am Beispiel eines Workshops zur additiven Farbmischung als Grundlage für die Funktionsweise von Handybildschirmen“.
Die Ergebnisse ihrer Masterarbeit unterstrichen noch einmal, dass wir mit dem ALP einem sehr guten und richtigen Weg folgen. Ein zentrales Ergebnis ihrer Arbeit war, dass die Teilnehmerinnen sich in einer reinen Mädchengruppe wohler fühlten und vor allem auch bessere Ergebnisse im Fach Physik erzielten. Im Januar 2024 beginnt Alina ihr Referendariat an einem Gymnasium in Montabaur.

Wir haben sie zu ihrer Arbeit im Projekt und ihrer Masterarbeit befragt.

Alina, was hast du studiert und warum hast du dich für ein naturwissenschaftliches Studium entschieden?

Ich habe 2018 begonnen, Mathematik und Physik für das Lehramt an Gymnasien zu studieren. Naturwissenschaften haben mich schon immer fasziniert und begeistert. Bereits als Kind habe ich abends in den Himmel geschaut und mich gefragt, was da oben im Universum so alles Spannendes passiert.
Mit der Schulzeit kam die Begeisterung für Phänomene der Erde hinzu. Alles, was ich sah, wollte ich verstehen und erklären können.
Nachdem ich mich eigentlich in der zehnten Klasse für Chemie entschieden hatte, musste ich zu Physik wechseln, da an meiner Schule kein Chemie-Leistungskurs angeboten werden konnte. Im Nachhinein war dieser Umstand das Beste, was mir passieren konnte. Ich habe in dieser Zeit so unfassbar viel lernen dürfen und meine Leidenschaft für die Physik entdeckt.
Da mir schon immer klar war, dass ich Lehrerin werden möchte, war es naheliegend, die Physik als Fach für mich zu wählen. Die Mathematik faszinierte mich auch schon immer. Als Sprache der Wissenschaft wird sie genutzt, um Phänomene der Natur für den Menschen verständlich zu machen. Sie folgt wiederkehrenden Mustern und ist in sich logisch, zwei Aspekte, mit denen ich besonders gut arbeiten kann.

Warum hast du während deines Studiums beim Ada-Lovelace-Projekt gearbeitet?

Ich habe mit Beginn meines Studiums nie hinterfragt, wie es ist, als Frau Physik oder Mathematik zu studieren. Ich hatte auch nie Angst davor, das Studium nicht zu schaffen, weil ich eine Frau bin (Angst hatte ich schon, aber die hatte andere Ursachen 😉). Die Vorurteile gab es in meiner Kindheit und Jugend glücklicherweise nur sehr selten. Je mehr Menschen ich aber erzählte, was ich mache, desto mehr wurde mir bewusst, dass meine Erfahrungen nicht die Regel sind. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft mir Fragen gestellt wurden, wie „Physik als Frau? Das ist ja sehr untypisch…“ oder „Der Frauenanteil ist doch bestimmt sehr niedrig in den Veranstaltungen, oder?“.

Ja, besonders in Physik ist der Frauenanteil in den Vorlesungen tatsächlich sehr niedrig. Und das finde ich schade. Rückblickend waren es in meiner Schulzeit häufig die Mädchen, die sagten, dass sie einfach zu unbegabt für Physik seien und ich einfach eine Ausnahme darstelle. Ich bin anderer Meinung und das ist der Grund, wieso ich so gerne und so lange für das Ada-Lovelace-Projekt gearbeitet habe.

Mir ist es wichtig, Mädchen und jungen Frauen zu zeigen, dass Physik und andere MINT-Bereiche nicht per se schwer sind. Ich möchte ihnen die gleichen Chancen geben, die ich als junge Frau hatte, nämlich sich ganz bewusst für ein solches Fach zu entscheiden oder sich eben auch dagegen zu entscheiden. Es ging mir nie darum, alle Mädchen für die Physik zu begeistern, das ist meiner Meinung nach auch nicht Sinn der Sache. Sondern es geht darum, ihnen überhaupt erstmal aufzuzeigen, dass diese Option besteht und für sie durchaus in Frage kommen kann. Und den Stolz der Mädchen in deren Augen zu sehen, wenn sie etwas geschafft haben, von dem sie nicht geglaubt haben, dass sie das hätten schaffen können, hat unter anderem dafür gesorgt, dass ich so lange beim ALP geblieben bin und ehrlicherweise gerne noch länger geblieben wäre.

Neben diesen Erfahrungen sind es aber auch die Menschen, die ich durch das ALP kennengelernt und ins Herz geschlossen habe. Das Arbeitsklima ist einfach wohltuend und schön, sodass sich die Arbeit nicht wie Arbeit anfühlt.

Worüber hast du deine Masterarbeit geschrieben?

Ich habe mich in meiner Masterarbeit mit einem zentralen Konzept des ALP auseinandergesetzt: dem monoedukativen Unterricht. Dabei habe ich mich vor allem mit der Fragestellung beschäftigt, welche Auswirkungen monoedukativer Unterricht auf Mädchen in Bezug auf Leistung und Wohlbefinden hat.
Dazu habe ich einen Workshop erstellt, welcher sich mit der Farbaddition als Grundlage für die Funktionsweise von Handybildschirmen beschäftigt. Im Rahmen der Arbeit habe ich mich intensiv mit Geschlechterrollenorientierung und Geschlechtsunterschieden beschäftigt.
Die Literatur spricht dabei vom Modell des dynamischen Selbst. Dieses besagt, dass das Selbstkonzept eines Menschen kein starres Konstrukt darstellt, sondern aus unterschiedlichen Selbstkonstrukten zusammengesetzt ist, von denen in gegebenen Augenblicken immer nur eins aktiv ist.
Für ein erfolgreiches Handeln sollte man sich immer mit Dingen beschäftigen, die mit dem gerade aktiven Selbstkonzept im Einklang stehen. Das passiert im Normalfall völlig automatisch. Betrachtet man nun das geschlechtsbezogene Selbst, so ist es nur logisch, dass Frauen weniger gerne Physik betreiben, da dieser Fachbereich von der Gesellschaft maskulin stereotypisiert ist.

In der Schule passiert genau das gleiche: Naturwissenschaftliche Fächer werden nicht zuletzt durch die Wahl der Themen maskulin stereotypisiert, was dem Selbstkonzept vieler Mädchen widerspricht, sodass sie nicht die Leistungen zeigen können, zu denen sie vielleicht eigentlich in der Lage gewesen wären.
Die Idee eines monoedukativen Unterrichts ist es nicht, diesen femininer zu gestalten. Sondern Studien haben gezeigt, dass das eigene Geschlecht in geschlechtshomogenen Gruppen eine wesentlich kleinere Rolle spielt als in geschlechtsheterogenen Gruppen.
Besonders während der Pubertät, wo das eigene Geschlecht meist sehr präsent ist, muss es das Ziel sein, Physikunterricht so zu gestalten, dass dieses Thema überhaupt keine Rolle spielt.

Mit diesem Hintergrundwissen habe ich einen physikalischen Workshop zur Optik erstellt und diesen in zwei Gruppen durchgeführt, einer geschlechtsheterogenen und einer geschlechtshomogenen (nur Mädchen) Gruppe. Mithilfe von Kompetenztests und Fragebögen habe ich ermittelt, wie groß der Lernzuwachs der beiden Gruppen und das Wohlbefinden der Lernenden innerhalb der Gruppen sind.
Es zeigte sich, dass die Mädchen der geschlechtshomogenen Gruppe deutlich bessere Leistungen erbrachten als die Lernenden der anderen Gruppe.
Mithilfe der Fragebögen konnten sämtliche weiteren Einflüsse als Ursache für dieses Ergebnis ausgeschlossen werden, sodass davon auszugehen ist, dass der monoedukative Unterricht maßgeblich zur besseren Leistung der Mädchen beigetragen hat. Zudem konnte beobachtet werden, dass sich die Mädchen der geschlechtshomogenen Gruppe wohler mit dem Material gefühlt haben. Darüber hinaus haben die Teilnehmerinnen dort deutlich besser und konzentrierter zusammengearbeitet.

Ehrlicherweise habe ich mit solchen Ergebnissen gerechnet, da mir das meine Arbeit beim ALP bereits vorher indirekt bestätigt hat. Es war dennoch total interessant, sich näher mit Geschlechterstereotypen auseinander zu setzen. Denn wenn ich in den ganzen Jahren meines Studiums etwas gelernt habe, dann ist es, dass es nicht sinnvoll sein kann, das „Mädchen aus dem Mädchen“ zu holen.

Sondern wir müssen Wege finden, stereotypisierte Dinge zu „entstereotypisieren“.

Denn nur wenn einer Sache kein Geschlecht mehr zugeordnet wird, hat jeder Mensch ganz frei von Vorurteilen die Möglichkeit, sich für oder gegen eine Sache zu entscheiden. Das betrifft aber nicht nur die MINT-Bereiche, sondern so ziemlich alles (Sportarten, Berufe , etc.).

Ziel meiner Arbeit war es nicht, eine Methode zu finden, sodass allen Mädchen Physik Spaß macht und sie gute Leistungen erbringen. Sondern Ziel war es, eine Methode zu finden, die es Mädchen möglich macht, unabhängig von ihrem Geschlecht entscheiden zu können, ob sie Spaß an dem Fach haben oder nicht. Da ich auch genau das durch meine Arbeit beim ALP erreichen möchte, war es nur sinnvoll, meine Masterarbeit mit dem ALP zu verknüpfen.

Für meinen zukünftigen Unterricht nehme ich mir vor, möglichst frei von Vorurteilen zu unterrichten. Ich möchte weiterhin Vorbild für die jungen Menschen sein, die für sich die Entscheidung treffen wollen, in einen MINT-Bereich einzutauchen. Vielleicht ist es ja sogar möglich, besonders in der Pubertät geschlechtergetrennt zu unterrichten. Aber auch wenn das nicht gehen sollte, möchte ich Physik geschlechtsneutral unterrichten, damit niemand vorab aufgrund des eigenen Geschlechts die Tür für das Interesse schließt.

Was wünschst du dir im Hinblick auf den entwickelten Workshop?

Meinen Workshop habe ich für das ALP nochmal überarbeitet, sodass er für die Arbeit beim ALP optimal funktioniert. Ich wünsche mir, dass die Mentorinnen mit meinem Workshop viele Mädchen für die Physik (oder auch nur ein kleines Teilgebiet) begeistern können. Ich wünsche mir, dass auch die Mentorinnen etwas von meinem Workshop lernen können, so wie ich von anderen Workshops lernen konnte. Ich werde bestimmt innerhalb meiner Laufbahn erneut auf den Workshop zurückgreifen. Leider ist die Thematik noch nicht so intensiv im Lehrplan Physik verankert…

Herzlichen Dank, liebe Alina, für deine interessanten Ausführungen und deine wertschätzenden Worte zu deiner Zeit im Projekt. Wir werden dich sehr vermissen und wünschen dir für deine weitere Zukunft alles erdenklich Gute!

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Schon gewusst? Seit Anbeginn des Projekts hat auch immer Begleitforschung stattgefunden. Viele Ergebnisse wurden in der Ada-Lovelace-Schriftenreihe veröffentlicht und sind im Bereich „Forschung“ auf unserer Webseite nachzulesen.
Wenn auch Du überlegst, eine Abschlussarbeit zu einem Thema zu schreiben, das mit dem Ada-Lovelace-Projekt in Zusammenhang steht, kontaktiere uns gerne unter info@ada-lovelace.de oder die Ansprechpartnerin an deinem Standort.

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